In vielen handwerklichen Berufen sind Fahrten zu teils häufig wechselnden Baustellen und Einsatzorten an der Tagesordnung. Dabei kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten darüber, welche Fahrten zur Arbeitszeit des Beschäftigten zählen und inwieweit diese zu vergüten sind. Arbeitsrechtlich ist zwischen Arbeitszeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes und vergütungspflichtigen Arbeitszeiten zu unterscheiden. Wann Fahrten zur Baustelle als Arbeitszeit zu werten sind, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Das Wichtigste in Kürze

Fahrtzeiten können je nach Situation als Arbeitszeit gelten, insbesondere wenn sie im Interesse des Arbeitgebers erfolgen. Selbst direkte Fahrten zur Baustelle oder Heimfahrten können unter bestimmten Umständen als Arbeitszeit anerkannt und vergütet werden.

Der Unterschied zwischen Wegezeit und Arbeitszeit

Bei Fahrtzeiten ist zunächst zwischen der klassischen Arbeitszeit und den sogenannten Wegezeiten zu unterscheiden. Bei Wegezeiten handelt es sich nicht um Arbeitszeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes 1.

Wegezeiten beschreiben beispielsweise die Zeit, welche der Beschäftigte für die An- und Abfahrt zum Betrieb beziehungsweise zum Tätigkeitsort aufbringen muss. Diese Zeiten müssen weder vergütet werden noch werden sie auf die tatsächliche Arbeitszeit im Sinne der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten angerechnet.

Jedoch gibt es durchaus Situationen, in welchen Wegezeiten arbeits- und vergütungsrechtlich als Arbeitszeit anerkannt werden. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einer Vielzahl von Entscheidungen festgestellt.

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Wann zählt die Fahrt zur Baustelle als Arbeitszeit?

Die Arbeitszeit eines Beschäftigten beginnt, wenn dieser seinen Arbeitsplatz beziehungsweise seinen Tätigkeitsort erreicht. Gerade bei Handwerkern kommt es jedoch häufig vor, dass der Tätigkeitsort wechselt.

Daher muss zunächst bestimmt werden, an welchem Ort die vertraglich vereinbarte Leistung erbracht werden soll und wie beziehungsweise auf welchem Weg dieser Ort erreicht wird.

1. Der Betrieb als Sammelpunkt

Ist der Beschäftigte angewiesen, sich morgens zunächst im Betrieb einzufinden und sucht er erst anschließend seinen eigentlichen Tätigkeitsort, beispielsweise eine Baustelle oder einen Kunden auf, so beginnt die Arbeitszeit des Beschäftigten mit dem Erreichen des Betriebs.

Alle darauf folgenden Fahrten, sind als Arbeitszeit zu werten und entsprechend zu vergüten. Schließlich erfolgen sie im Interesse des Arbeitgebers und stehen in einem direkten Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung durch den Beschäftigten.

2. Direkte Fahrt zur Baustelle

Wird der Arbeitnehmer hingegen angewiesen, von seinem Wohnort aus auf direktem Wege zur Baustelle zu fahren, handelt es sich hierbei nicht zwangsläufig um Arbeitszeit. Gleichermaßen muss es sich jedoch auch nicht unbedingt um unbezahlte Wegezeiten handeln.

Grundsätzlich kann angenommen werden, dass auch die Fahrt zu einer Baustelle als Arbeitszeit zu bewerten ist, da es sich hierbei um eine sogenannte Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers handelt 2.

Schließlich ist die Fahrt zwingend erforderlich, um die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung erbringen zu können.

Dennoch muss stets im Einzelfall geprüft werden, wie weit der Einsatzort des Beschäftigten von dessen regulärer Arbeitsstelle entfernt ist.

Bei kurzen Entfernungen, die sich nicht signifikant von der Entfernung des Wohnorts des Beschäftigten zum regulären Arbeitsort unterscheiden, kann argumentiert werden, dass es sich um gewöhnliche Wegezeiten handelt 3.

Für den Beschäftigten macht es schließlich keinen Unterschied, ob er morgens eine halbe Stunden in den Betrieb fährt oder eine halbe Stunde zur Baustelle.

3. Wechselnde Arbeitsorte

Fahrtzeiten, die betriebsbedingt innerhalb der Arbeitszeit des Beschäftigten anfallen, sind grundsätzlich als Arbeitszeit zu werten.

Wird der Beschäftigte beispielsweise auf unterschiedlichen Baustellen eingesetzt oder muss innerhalb eines Arbeitstages mehrere Kunden besuchen, so handelt es sich bei allen Fahrtzeiten um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes 4.

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Arbeitszeit ist nicht gleich Arbeitszeit

Grundsätzlich muss beachtet werden, dass es einen Unterschied zwischen Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes und vergütungspflichtiger Arbeitszeit gibt.

Vereinfacht gesagt bedeutet das: Auch wenn es sich nicht um Arbeitszeit im Sinne des ArbZG handelt, kann dennoch ein Vergütungsanspruch bestehen.

Fährt ein Beschäftigter beispielsweise als Beifahrer zu einer Baustelle, so kann es sich bei der aufgewandten Zeit durchaus um Ruhezeit handeln.

Muss der Beschäftigte selbst kein Fahrzeug führen, sich nicht auf den Verkehr konzentrieren oder Arbeitsaufträge erledigen, handelt es sich nicht um Arbeitszeit im Sinne des ArbZG.

Dennoch hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Vergütung der Fahrtzeit. Sie erfolgt schließlich im Interesse des Arbeitgebers.

Hieraus ergibt sich lediglich die Möglichkeit, die auf der Baustelle aufgewandte Arbeitszeit unabhängig von etwaigen Fahrtzeiten zu betrachten. Bei einer mehrstündigen Anreise, die der Beschäftigte als Bei- oder Mitfahrer frei gestalten darf, ist es demnach zulässig, anschließend acht Stunden auf der Baustelle zu arbeiten, ohne dass eine Verletzung der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten droht.

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Zählt die Heimfahrt von der Baustelle als Arbeitszeit?

Die beschriebenen Regelungen zu Fahrtzeiten erstrecken sich prinzipiell auch auf die Heimfahrt nach getaner Arbeit.

Wird nach Beendigung der Tätigkeit zunächst der Betrieb als Sammelpunkt angesteuert, so handelt es sich auch bei der Heimfahrt noch um Arbeitszeit.

Steht es dem Arbeitnehmer frei, nach der Arbeit direkt nach Hause zu fahren, so ist entscheidend, wie weit der Einsatzort vom Wohnort und dieser wiederum vom regulären Arbeitsort des Beschäftigten entfernt ist.

Quellenverzeichnis

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