Wer jahrelang zu den immer selben Zeiten gearbeitet hat, der ist mit einer plötzlichen Änderung seiner Arbeitszeiten häufig nicht einverstanden und beruft sich möglicherweise auf das arbeitsrechtliche Gewohnheitsrecht. Dem entgegen steht jedoch das Direktionsrecht des Arbeitgebers, nach welchem er Ort, Inhalt und auch Zeit der Arbeitsleistung einseitig ändern kann. In welchen Fällen eine Arbeitszeitänderung zulässig ist und wann Arbeitsgerichte einer solchen Änderung widersprechen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Das Wichtigste in Kürze

Das Gewohnheitsrecht kann dazu führen, dass Änderungen an etablierten Arbeitspraktiken und Verhaltensweisen unzulässig sind. Änderungen der Arbeitszeiten sind hiervon jedoch in den meisten Fällen ausgenommen.

Einführung: Das Gewohnheitsrecht im Arbeitsrecht

Im Arbeitsrecht kommt das Gewohnheitsrecht zum Tragen, wenn über einen längeren Zeitraum hinweg bestimmte betriebliche Praktiken durchgeführt oder bestimmte Rechte sowie Ansprüche gewährt wurden.

Ein einfaches Beispiel hierfür ist die regelmäßige Zahlung von Weihnachtsgeld oder die Gewährung der Arbeit aus dem Homeoffice heraus.

Erhält ein Arbeitnehmer über mehrere Jahre hinweg Weihnachtsgeld, kann sich hieraus ein dahingehender Anspruch entwickeln. Auch dann, wenn dieser Anspruch nicht vertraglich festgehalten wurde.

Wird einem Arbeitnehmer jahrelang gestattet, von zu Hause aus zu arbeiten, kann sich hieraus ein Anspruch auf die Arbeit im Homeoffice entwickeln. Selbst dann, wenn es keine dahingehende vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt.

Das Gewohnheitsrecht ist hierbei nicht schriftlich in Form eines konkreten Gesetzes fixiert, wurde jedoch in der Vergangenheit durch zahlreiche Urteile des Bundesarbeitsgerichts und weiterer Arbeitsgerichte bestätigt. Man spricht auch von der sogenannten „betrieblichen Übung“ 1.

Prinzipiell kein Gewohnheitsrecht bei der Arbeitszeit

Der oben aufgeführten Definition folgend, könnte man daher annehmen, dass die betriebliche Übung auch bei den Arbeitszeiten einzelner Beschäftigter zum Tragen kommen kann – dies ist jedoch für gewöhnlich nicht der Fall.

Das Gewohnheitsrecht stößt dort an seine Grenzen, wo das Direktionsrecht des Arbeitgebers beginnt. Dies gilt vor allem für den Ort, die Zeit und die Art der Tätigkeit.

Dem Arbeitgeber muss es möglich sein, die betriebliche Ordnung entsprechend seiner Vorstellungen und der betrieblichen Anforderungen gestalten zu können. So ist es auch das Recht des Arbeitgebers, die Arbeitszeiten aller oder einzelner Beschäftigter Kraft seines Direktionsrechts zu ändern.

Die Tatsache, dass ein Beschäftigter über viele Jahre hinweg zu den immer selben Zeiten gearbeitet hat oder ihm stets dieselbe Schicht zugewiesen wurde, führt nicht zu einem dahingehenden Gewohnheitsrecht.

Das Recht des Arbeitgebers, Inhalt, Zeit und Ort der Arbeitsleistung bestimmen und ändern zu können, ergibt sich aus § 106 der Gewerbeordnung:

§ 106 Gewerbeordnung

Interessen des Arbeitnehmers müssen berücksichtigt werden

Es gilt jedoch zu beachten, dass jede Weisung des Arbeitgebers nach „billigem Ermessen“ zu erfolgen hat 2.

Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass der Arbeitgeber bei seinen Entscheidungen auch die Interessen des Beschäftigten in angemessener Weise zu berücksichtigen hat.

Es muss also stets eine Einzelfallprüfung erfolgen, bei welcher auch die persönlichen Umstände und die familiäre Situation des Beschäftigten zu berücksichtigen ist. Gleichzeitig müssen auch die persönlichen Umstände aller anderen Mitarbeiter, die für die Ausübung der entsprechenden Tätigkeit infrage kommen, beleuchtet werden.

Dass eine Änderung der Arbeitszeit des Beschäftigten negative Auswirkungen auf dessen Privat- oder Familienleben hätte, führt jedoch nicht zwangsläufig dazu, dass die Anordnung unwirksam wird und nicht den Ansprüchen des billigen Ermessens genügt.

Vielmehr müssen die Interessen beider Vertragsparteien abgewogen werden.

Würden die geänderten Arbeitszeiten beispielsweise dazu führen, dass der Beschäftigte nicht wie gewohnt die Betreuung seiner Kinder gewährleisten kann, obwohl es andere Beschäftigte im Betrieb gibt, welche die geänderten Arbeitszeiten ohne vergleichbare Folgen hinnehmen könnten, so könnte die Anordnung angefochten werden.

In einem vergleichbaren Fall entscheid das Arbeitsgericht Hagen im Februar 2021 zugunsten des Beschäftigten 3.

So reichte ein 54-jähriger Arbeitnehmer Klage gegen eine Änderung seiner Arbeitszeiten ein. Seit 2009 war er als Fahrer in Teilzeit für 25 Stunden pro Woche beschäftigt. Üblicherweise liefert er von montags bis freitags ohne Pause in der Zeit von 8 Uhr bis 13 Uhr Essen an Kitas, Schulen, Kantinen und Einzelhaushalte aus.

Im Jahr 2020 änderte der Arbeitgeber die Arbeitszeiten und verlangte, dass der Mitarbeiter ab sofort freitags sieben Stunden mit Pause arbeiten solle. Dafür solle er montags bis donnerstags jeweils 20 Minuten weniger arbeiten.

Das Arbeitsgericht Hagen widersprach dieser Änderung der Arbeitszeit und bezog sich in seinem Urteil unter anderem darauf, dass die Interessen des Beschäftigten nicht in angemessener Weise berücksichtigt wurden.  

Auch dem Direktionsrecht des Arbeitgebers sind Grenzen gesetzt

Grundsätzlich muss außerdem beachtet werden, dass nicht nur dem Gewohnheitsrecht, sondern auch dem Direktionsrecht des Arbeitgebers Grenzen gesetzt sind.

Zwar kann der Arbeitgeber prinzipiell durchaus Vorgaben und Änderungen hinsichtlich der Arbeitszeit erlassen, doch etwaige dahingehende vertragliche Vereinbarungen sind vorrangig zu behandeln.

Steht die Weisung des Arbeitgebers also einer vertraglichen Vereinbarung entgegen, müssen Arbeitnehmer dieser prinzipiell nicht nachkommen.

Wurden beispielsweise im Rahmen des Arbeits- oder Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder einer Einzelvereinbarung feste Arbeitszeiten vereinbart, so können diese nicht ohne die Zustimmung des Beschäftigten geändert werden.

Die vertraglichen Vereinbarungen haben stets Vorrang und können nicht unter Berufung auf das Direktionsrecht einseitig geändert werden 4.

Änderungen der Arbeitszeit müssen angekündigt werden

Doch selbst dann, wenn die Änderung der Arbeitszeit nach billigem Ermessen erfolgt und rechtlich nicht zu beanstanden ist, kann sie im Regelfall nicht von heute auf morgen erfolgen.

Welche Ankündigungsfrist hierbei seitens des Arbeitgebers einzuhalten ist, kann nicht pauschal gesagt werden. Auch hier ist eine Einzelfallprüfung erforderlich.

Handelt es sich um eine geringfügige Anpassung, bei welcher keine weitreichenden Folgen für den Beschäftigten zu erwarten sind, kann die Ankündigungsfrist durchaus nur wenige Tage betragen. Man geht von einer Vorlaufzeit von wenigstens 4 Tagen aus. Als Vergleich wird häufig eine entsprechende Regelung aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz angeführt 5.

Ergeben sich aus den geänderten Arbeitszeiten jedoch weitreichende Folgen, welche die persönlichen Interessen des Beschäftigten stark beeinflussen, kann von einer Ankündigungsfrist von bis zu mehreren Wochen ausgegangen werden.

Fazit: Kein Gewohnheitsrecht, aber dennoch Einschränkungen

Auch wenn es kein grundsätzliches Gewohnheitsrecht in Bezug auf die Arbeitszeit eines Beschäftigten gibt, so sind dessen Interessen bei einer Änderung der Arbeitszeit durchaus in angemessener Weise zu berücksichtigen.

Ob eine Änderung der Arbeitszeit zulässig ist und welche Ankündigungsfristen einzuhalten sind, muss stets im Einzelfall geprüft werden.

Es empfiehlt sich, zunächst das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen und die Auswirkungen der Arbeitszeitänderung auf die persönlichen Interessen vorzutragen. In vielen Fällen lässt sich, auch unter Einbeziehung der restlichen Belegschaft, eine für alle Parteien zufriedenstellende Lösung finden.

    Quellenverzeichnis

  1. BAG, Urteil vom 13.05.2015 – 10 AZR 266/14 ↩︎
  2. § 315 BGB – Bestimmung der Leistung durch eine Partei ↩︎
  3. ArbG Hagen, Urteil vom 16.02.2021 – 4 Ca 1688/20 ↩︎
  4. § 106 GewO – Weisungsrecht des Arbeitgebers ↩︎
  5. § 12 TzBfG – Arbeit auf Abruf ↩︎

Beitrag zuletzt aktualisiert am 13. September 2024 von Ralf Müller.