Sich trotz eines bestehenden Arbeitsverhältnisses auf einen neuen Job zu bewerben ist weder ungewöhnlich noch verboten. Doch wie verhält es sich, wenn der potenzielle neue Arbeitgeber den Bewerber zum Probearbeiten einlädt? In diesem Beitrag erklären wir, unter welchen Umständen Sie trotz Arbeitsverhältnis Probearbeiten dürfen und was es dabei zu beachten gilt.

Das Wichtigste in Kürze

Ein Probearbeiten, das über ein unverbindliches Kennenlernen hinausgeht, ist bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis nur in Ausnahmefällen erlaubt. Beispielsweise dann, wenn das Arbeitsverhältnis befristet oder bereits gekündigt ist. Ein Einfühlungsverhältnis, bei welchem der Bewerber nicht arbeitet, sondern sich lediglich mit den Gegebenheiten vertraut macht, ist hingegen in der Regel unproblematisch.

Unterscheidung zwischen Einfühlungsverhältnis und Probearbeiten

Bevor wir uns der Frage widmen, ob Probearbeiten bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis erlaubt ist, muss zunächst der Begriff Probearbeit vom sogenannten Einfühlungsverhältnis abgegrenzt werden.

Diese beiden Begrifflichkeiten werden oftmals verwechselt, sodass es zunächst einer kurzen Definition bedarf. Wir gehen in diesem Beispiel davon aus, dass sowohl die Dauer der Probearbeit als auch die des Einfühlungsverhältnisses wenige Stunden bis maximal einen Arbeitstag andauern.

Ein Einfühlungsverhältnis ist ein unverbindliches Kennenlernen zwischen dem Bewerber und seinem potenziellen neuen Arbeitgeber, bei welchem der Bewerber die Möglichkeit hat, das Unternehmen, die Kollegen und die Arbeitsabläufe persönlich kennenzulernen. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen beschreibt das Einfühlungsverhältnis in einem Urteil als „ein loses Rechtsverhältnis eigener Art“ 1.

Während des Einfühlungsverhältnisses wird der Bewerber nicht als vollwertige Arbeitskraft eingesetzt und übernimmt, wenn überhaupt, nur kleinere Aufgaben und schaut ansonsten den potenziellen neuen Kollegen bei ihrer Arbeit über die Schulter.

Beim tatsächlichen Probearbeiten hingegen übernimmt der Bewerber für einen begrenzten Zeitraum die Aufgaben, welche er auch im Falle einer späteren Anstellung übernehmen würde. Es handelt sich um ein Arbeitsverhältnis, welches in der Regel durch einen Vertrag befristet wird und für welches der Bewerber entlohnt werden muss. Die Befristung kann hierbei auch lediglich einen Tag betragen.

Der Unterschied besteht also hauptsächlich darin, dass der Bewerber bei einem Einfühlungsverhältnis als Privatperson im Unternehmen anwesend ist und sich mit den Abläufen vertraut macht, ohne tatsächlich zu arbeiten. Beim Probearbeiten jedoch wird der Bewerber prinzipiell als reguläre Arbeitskraft eingesetzt.

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Einfühlungsverhältnis in der Freizeit des Arbeitnehmers

Handelt es sich nicht um ein Probearbeiten im eigentlichen Sinne, sondern lediglich um ein Einfühlungsverhältnis, welches der Arbeitnehmer zudem in seiner Freizeit wahrnimmt, ist dieses Vorgehen nicht weiter zu beanstanden.

Auch etwaige Wettbewerbsklauseln im Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers sollten hierbei in der Regel keine Anwendung finden. In solchen Klauseln wird den Beschäftigten untersagt, für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu sein.

Wenn es sich jedoch lediglich um ein Einfühlungsverhältnis handelt, während welchem der Arbeitnehmer keine Arbeitsaufträge ausführt, sondern lediglich beobachtet und sich mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut macht, ist dies nicht als Tätigkeit im Sinne des Arbeitsrechts zu werten.

Es sollte jedoch beachtet werden, dass derartige Klauseln in Arbeits- und Tarifverträgen sowie Betriebsvereinbarungen durchaus enger gefasst sein können. Besteht beispielsweise der Verdacht, dass der Arbeitnehmer im Rahmen des Einfühlungsvermögens Firmeninterna an die Konkurrenz weitergibt, sieht der Sachverhalt anders aus.

Arbeitnehmer sollten daher ihre Verträge und Vereinbarungen gründlich auf Wettbewerbsklauseln und deren genaue Formulierung prüfen.

Probearbeiten bei bestehendem Arbeitsverhältnis problematisch

Plant ein Arbeitnehmer, ein tatsächliches Probearbeiten in einem anderen Unternehmen zu absolvieren, ist Vorsicht geboten.

Handelt es sich nicht bloß um ein unverbindliches Kennenlernen, sondern wird tatsächlich gearbeitet, kann dies einen Abmahnungs- oder Kündigungsgrund darstellen. Arbeitnehmer dürfen ihrem Arbeitgeber keine Konkurrenz machen und entsprechend auch nicht für Konkurrenzunternehmen tätig sein 2.

Handelt es sich um ein Unternehmen, das in keinerlei Konkurrenz zu Ihrem derzeitigen Arbeitgeber steht, könnte argumentiert werden, dass das Wettbewerbsverbot nicht greift und dem Probearbeiten nichts im Weg steht, sofern dieses in Ihrer Freizeit stattfindet.

Das Probearbeiten in einem anderen Unternehmen kann jedoch dennoch gegen den bestehenden Arbeitsvertrag verstoßen. Arbeitnehmer sollten deshalb stets im Einzelfall ihren Arbeits- und Tarifvertrag sowie eine etwaige Betriebsvereinbarung prüfen.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass Probearbeiten bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis in der Regel keine gute Idee ist. Ausnahmen ergeben sich jedoch in folgenden Fällen:

  • Sie holen die Erlaubnis Ihres Arbeitgebers ein
  • Der bestehende Arbeitsvertrag ist bereits gekündigt
  • Es handelt sich um einen befristeten Arbeitsvertrag
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Ausnahmen bestätigen die Regel

Unter bestimmten Umständen können Arbeitnehmer trotz eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses bedenkenlos einen Termin zum Probearbeiten vereinbaren und wahrnehmen. In einigen Fällen ist der Arbeitgeber sogar dazu verpflichtet, seinen Arbeitnehmer für derartige Termine freizustellen.

Erlaubnis des Arbeitgebers

Auch wenn eine Wettbewerbsklausel oder der Arbeitsvertrag es dem Arbeitnehmer untersagt, einen Probearbeitstag in einem anderen Unternehmen zu absolvieren, kann der Arbeitgeber selbstverständlich Ausnahmen machen.

Bitten Sie Ihren Arbeitgeber um seine Erlaubnis, einen derartigen Termin wahrnehmen zu dürfen und kommt er Ihrer Bitte nach, können Sie bedenkenlos einen Probearbeitstag absolvieren. Die Zustimmung Ihres Arbeitgebers sollten Sie sich idealerweise schriftlich bestätigen lassen.

Gekündigtes Arbeitsverhältnis

Ist das bestehende Arbeitsverhältnis bereits gekündigt, können Arbeitnehmer bedenkenlos einen Termin zum Probearbeiten in einem anderen Betrieb wahrnehmen.

Doch nicht nur das: Laut § 629 BGB ist der Arbeitnehmer für die Dauer dieses Termins von der Arbeit freizustellen 3. Das Probearbeiten muss demnach nicht zwangsläufig in der Freizeit des Beschäftigten stattfinden.

Für die Dauer der Freistellung ist darüber hinaus das Gehalt des Arbeitnehmers weiterhin zu zahlen – es handelt sich hierbei um Sonderurlaub.

Beachten Sie jedoch, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung, welcher sich aus § 616 BGB ergibt, nur „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ gilt 4. Die Dauer der Freistellung ist jedoch nicht genau definiert. Es kann davon ausgegangen werden, dass dem Arbeitnehmer in diesem Fall eine bezahlte Freistellung von höchstens ein bis zwei Tagen zusteht.

Wichtig zu wissen: § 616 ist dispositiv. Der Anspruch kann also im Rahmen von Arbeits- und Tarifverträgen sowie Betriebsvereinbarungen ausgeschlossen werden 5. Ist dies der Fall, so ist der Arbeitnehmer dennoch zur Wahrnehmung eines Probearbeitstermins freizustellen, jedoch ohne Fortzahlung des Entgelts.

Unabhängig davon, ob § 616 BGB Anwendung findet, ist anzumerken, dass § 629 dem Arbeitnehmer eine „angemessene Zeit zum Aufsuchen eines anderen Dienstverhältnisses“ einräumt. Ein Vorstellungsgespräch und ein oder zwei Tage Probearbeit sind hiervon im Regelfall Fall abgedeckt. Ob eine längere Freistellung hingenommen werden muss, ist jedoch im Einzelfall zu entscheiden.

Befristeter Arbeitsvertrag

Läuft ein befristeter Arbeitsvertrag aus und wird nicht verlängert, so haben Arbeitnehmer ebenfalls einen Anspruch auf Freistellung zur Wahrnehmung von Bewerbungsgesprächen oder Terminen zum Probearbeiten.

Auch hier greift die Regelung des § 629 BGB. Anders als § 616 BGB, welcher eine bezahlte Freistellung ermöglicht, ist § 629 BGB darüber hinaus nicht abdingbar. Selbst wenn also keine bezahlte Freistellung nach § 616 BGB greift, so besteht dennoch weiterhin ein (unbezahlter) Freistellungsanspruch nach § 629 BGB.

Achtung: Arbeitgeber muss rechtzeitig informiert werden

Auch wenn aufgrund eines gekündigten oder befristeten Arbeitsvertrags ein Anspruch auf Freistellung besteht, muss diese rechtzeitig beim Arbeitgeber beantragt beziehungsweise angezeigt werden. Arbeitnehmer dürfen in keinem Fall einfach der Arbeit fernbleiben.

Sie können hierfür einen regulären Antrag auf Sonderurlaub stellen. Denken Sie jedoch daran, sich explizit auf § 629 BGB zu berufen.

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Heimlich Probearbeiten: Mögliche Konsequenzen

Nehmen Beschäftigte heimlich und unerlaubt einen Termin zum Probearbeiten wahr, drohen ernsthafte arbeitsrechtliche Konsequenzen. Im schlimmsten Fall rechtfertigt das Verhalten eine fristlose Kündigung des Arbeitnehmers.

Arbeitnehmer sollten sich dieser Konsequenz bewusst sein, bevor sie einen Termin zum Probearbeiten vereinbaren. Sollte der aktuelle Arbeitgeber sich nicht verständnisvoll zeigen und das Probearbeiten in einem anderen Unternehmen untersagen, muss der Beschäftigte abwägen, ob er das Risiko einer fristlosen Kündigung, zumindest aber einer Abmahnung, in Kauf nehmen möchte.

Man sollte sich vor Augen führen, dass eine Einladung zum Probearbeiten zwar ein gutes Zeichen ist, aber keine Garantie für eine spätere Zusage des potenziellen neuen Arbeitgebers darstellt.

Im schlimmsten Fall endet das Probearbeiten in einer fristlosen Kündigung des bestehenden Arbeitsvertrags, ohne dass ein neues Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zustande kommt.

Quellenverzeichnis

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Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine rechtliche Beratung dar. Bei konkreten rechtlichen Fragen oder Anliegen empfehlen wir, einen Rechtsanwalt zu konsultieren.